1. Maifeiertag

Vergangene Woche wurden wir mehrfach gefragt ob wir denn am 1. Mai auch eine Tour fahren würden, weil der Sonntag ja auch zeitgleich ein Feiertag ist. Wir können nur so viel dazu sagen: ganz egal ob Feiertag oder nicht, wir machen keinen Unterschied und waren gestern selbstverständlich mit voller Power auf Tour unterwegs und auch am Stand vertreten.

Dieter berichtete uns von der gestrigen Kleiderverteilung an der Münchner Freiheit, dass jede Woche deutlich mehr junge Frauen mit Kindern an unseren Stand kommen.

Ein kleines Mädchen von vielleicht 4 oder 5 Jahren, der das Warten ein wenig langweilig wurde, hatte gestern zu Dieter gesagt, dass sie auch mithelfen möchte und ob er eine Aufgabe für sie hätte. Klar hatte er das: „ ich schickte sie die Reihe der Wartenden entlang und sie verteilte Taschentücher und Süßigkeiten. Sie hat mir auch die Hygieneartikel von meiner Tüte fein säuberlich und übersichtlich in ein Körbchen eingeräumt. Es versteht sich von selbst, dass dann natürlich ein paar extra Naschereien für sie herausgesprungen sind. Sie hat mir versprochen, dass sie nächsten Sonntag auf jeden Fall wieder kommt und mir hilft. Solche Szenen geben einem genau das Gefühl, dass man Menschen durchaus schnell und mit ganz wenig Aufwand glücklich machen kann. Sie hat über das ganze Gesicht gestrahlt, als ich sie vor ihrer Mutter für ihre tolle „Arbeit“ sehr gelobt habe. Für mich persönlich war es irgendwie eine Bestätigung der Wertigkeit unserer Arbeit, die wir alle zusammen brauchen. Auch wir sind nur Menschen“ berichtet Dieter.

Obwohl wir noch am Samstagvormittag vor einem kleinen Besetzungsengpass für den Sonntag an der Freiheit standen, waren wir dank der Einsatzbereitschaft unseres grandiosen Teams gestern dann doch richtig gut aufgestellt. Renate, Maria, Dieter und Dieters Bekannte Liesl, die gerne mal bei uns reinschnuppern wollte, versorgten über 300 Gäste mit frischer Kleidung und Hygieneartikeln. Nachdem Liesl gefühlte 120 Jahre als Bedienung gearbeitet hat, kann sie gut auf Menschen zugehen, ist offen, kommunikativ und lässt sich nicht aus der Ruhe bringen. Auch Johanna, die sonst in unserem Verpflegungsteam kocht, erklärte sich mit ihrem Mann Stefan kurzerhand bereit am Stand auszuhelfen. Johanna hatte einen mega Tag hinter sich, denn gleich früh morgens kochte sie 80 Liter warmes Essen für unsere Touren und als die Töpfe von unseren Fahrern abgeholt und verladen waren, machte sie sich mit Stefan auf den Weg zur Münchner Freiheit. Gemeinsam rockten sie, mit super Stimmung die Verteilung.

Unsere beiden Teams mit Gaby und Karl, Maria, Sandra und Paul sowie Walter, Vroni, Jorge, Andrea und Dani starteten gestern bei nasskaltem Nieselregen ihre Touren.

Zu Essen gab es gestern 50 Liter Nudel-Gemüse-Pfanne mit Würstl, 30 Liter Gemüse-Eintopf mit Fleisch sowie 50 belegte Brote und eine große Menge Lauch-Blätterteig-Schnecken von Johanna. Gaby Sch. kochte 30 Liter Würstlgulasch, backte Apfel- und Rhabarberkuchen mit Rahm und steuerte 30 Käsebrote bei. Von Renate kamen 70 weitere belegte Brote hinzu. Gaby G. kochte 20 Liter Gulaschsuppe und 10 Kilo Nudeln. Von Maria wurden 7 Kilo Hackbraten mit Soße und 20 Liter Kartoffelpüree zubereitet. Anne kochte Eintopf, kistenweise Eier hart und bereitete viele Portionen Nachspeise zu, welche wir gut gekühlt verteilen konnten. Auch von Silke durften wir vier Bleche Kuchen entgegen nehmen.
Carmen packte 50 süße Verpflegungstüten und schmierte 50 weitere belegte Brote.
Marianne backte 8 Kuchen und kochte, wie auch Carmen jeweils fast 50 Gläser Marmelade aus den uns gespendeten Früchten.

Wenn wir am Anfang der Woche aussortiere Beeren aus den Supermärkten abholen dürfen, sind diese meist nicht bis zum Wochenende haltbar. Da wir aber nichts verkommen lassen möchten, ist Kreativität gefragt. Wir frieren viel ein um daraus Kuchen oder leckere Desserts zuzubereiten oder kochen eben leckere selbstgemachte Marmelade.

Gestern war generell viel los in der Stadt. Neben Frühlingsfest, Maibaum-Festln, Musik, Tracht und Tanz, fanden auch mehrere Demonstrationen statt. Ebenso war an einer unserer Stationen, gestern ab 12:30 eine anderweitige Veranstaltung geplant, sodass wir früher dort aufbrechen mussten.

Unsere beiden Busse waren, zusätzlich zu den Fahrzeugen mit Kleidung, bis auf den letzen Zentimeter vollgestapelt mit Lebensmittelkisten für die Verteilung. Gerade auch viele Rentner:innen waren dankbar, aus den Vollen schöpfen zu können und sich frisches Gemüse und Obst sowie haltbare Lebensmittel, für die nächsten Tage, mit nach Hause nehmen zu können.

Schön war es gestern mal wieder wirklich Zeit für tolle Gespräche zu haben. Viele „reisen“ uns an unseren Stationen hinterher und somit war es Walter möglich sich fast zwei Stunden und über mehrere Stationen hinweg, mit einem unserer Betreuten zu unterhalten. Walter hat ihm einen Schlafplatz organisiert und ihm extra einen neuen verschließbaren Koffer gekauft, weil ihm auf der Straße alles geklaut worden war. Diesen Koffer konnten wir vor Ort dann direkt mit frischen Kleidern und Hygieneartikeln füllen. Er hat sich riesig gefreut und taut nun immer mehr auf. Die Meisten sind anfangs sehr verschlossen, fassen dann aber doch Vertrauen und öffnen sich uns gegenüber. Die Beständigkeit unserer Leistungen und unsere Verlässlichkeit sind so wichtig um das Vertrauen zu gewinnen.

Für zwei eher kräftige Damen hat Vroni extra Kisten mit Kleidung in großen Größen gepackt und auch hier wurde sich sehr gefreut. Einfach die Tatsache, dass man diese Menschen sieht, man sich ihnen annimmt, an sie denkt und sie nicht namenlos wie am Fließband abfertigt, macht so viel aus.

Bei einem unserer obdachlosen Schützlinge, den wir seit gut eineinhalb Jahren betreuen, der ursprünglich aus Italien kommt, wurde die Familie nun auf seine Lebensumstände aufmerksam. Sie waren erschrocken über seine Situation und haben ihn nach über 12 Jahren auf der Straße zu sich zurück geholt. Nun kann er im Kreise der Familie in Italien leben und es geht ihm sehr gut dort.

Mario* der uns seit vielen Monden sehr ans Herz gewachsen ist, freute sich nach einer langen Nacht über eine prall gefüllte Tasche mit Lebensmitteln. Er war, laut seiner Erzählung, die ganze Nacht lang unterwegs um Flaschen zu sammeln. Ihm schmerzten die Füße und er sah müde aus. Für die, über Stunden, gesammelten Flaschen erhielt er geradeso 1,50€. Das reicht am Bahnhof nicht mal für einen Becher Kaffee.

Auch berichtete ein Mann uns von einer Rentnerin, die mit ihren mittlerweile 101 Jahren, jeden Tag am Hauptbahnhof die Flaschen aus dem Müll pickt.

Wir haben den Herren gebeten, falls er die Dame wieder trifft, ihr von uns zu erzählen. Wir würden uns freuen, sie bei einer unserer Stationen begrüßen zu dürfen.

Bei beiden Touren stellen wir ständigen Zuwachs an neuen Gesichtern fest. Es werden immer mehr Bedürftige die unsere mitgebrachten Lebensmittel dankend annehmen. In Giesing treffen wir auf mehr und mehr ukrainische Frauen, was zu anfangs einen leichten Unmut unter den anderen Bedürftigen hervorrief. Wir konnten die Situation schnell klären und den Unmut mildern, als wir darauf hinwiesen, dass diese Frauen nicht alleine nach Deutschland kamen und nur versuchen ihre Kinder zu versorgen, welche sie an unsere Stationen natürlich nicht mitbringen.

Gaby berichtet von einem sehr zurückhaltenden alten Mütterchen, dem sie einige Lebensmittel in ihren Beutel packte. Daraufhin fiel sie Gaby um den Hals und holte ihren ukrainischen Pass hervor. Sandra musste dann Gaby trösten, die von der Situation so sehr gerührt war und auch Sandra musste sich dann selbst ebenfalls eine Träne verdrücken.

An einer weiteren Station kam eine Frau auf uns zu. Sie hatte einen alten Herrn untergehakt und bat uns um Unterstützung, da der Herr sich verlaufen hatte und nicht mehr heimfinden würde. Er war mit einem etwas sehr dünnen Hausanzug und nur mit Hausschuhen bekleidet.
Der Herr war sehr gesprächig. Um Zeit zu schinden haben wir ihn gleich mit einem Kaffee versorgt, den er gerne bezahlen wollte – was selbstverständlich nicht in Frage kam. Wir haben ihn, samt seiner Begleitdame auf unsere Stühle zum „Kaffeepläuschen“ gesetzt.
Einer unser Bedürftigen Mike* hat sich auch gleich rührend um ihn gekümmert und ihm erstmal den Reißverschluss von seinem Hausanzug bis oben fest zugemacht. Zwischenzeitlich wurde von uns die Polizei informiert um den, sehr netten Herren wieder zurück zu bringen. Mike* hat sich derweil zu den beiden Herrschaften dazugesetzt und erzählt und erzählt und erzählt, nur damit der alte Herr nicht doch wieder auf die Idee käme loslaufen zu wollen. Die Polizei kam nach ein paar Minuten und somit hatte er einen tollen Fahrservice zurück ins Altenheim Entenbach.

Ende gut alles gut.

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