Wir sind es ja mittlerweile gewohnt, dass gerade am Monatsende nochmal ein ganz anderer Andrang herrscht als die vorausgehenden Sonntage im Monat. Was wir aber gestern erlebt haben, übersteigt tatsächlich alles bisher Dagewesene.
Auf allen drei Touren und auch an unserem Kleiderverteilungsstand merkten wir, dass die Schlangen so lang waren wie noch nie. Gerade an der Station Nussbaumpark konnten wir die Menge kaum mehr überblicken.
So viele Menschen, in jeder Altersklasse, verschiedenster Nationen, Männer und Frauen, alle wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten und dennoch haben alle eins gemeinsam: die Bedürftigkeit nach einer warmen Mahlzeit, ein paar Lebensmitteln, frischer Kleidung und ein bisschen Aufmerksamkeit.
Ein nettes Gespräch während der heisse Kaffee in den Becher läuft oder ein Bisschen Obst in eine Tüte gepackt wird.
Natürlich waren all unsere Stammgäste da, aber auch unglaublich viele neue Gesichter und lang verschollen Geglaubte.
Bei Vielen freuten wir uns gestern von Herzen über ein Wiedersehen. So manch Einer verschwindet von einem Tag auf den anderen spurlos. Oft ist das der Fall, wenn die Menschen z.B. wegen nicht bezahlten Bußgeldern inhaftiert wurden.
Dann tauchen sie Monate später plötzlich wieder bei uns auf. Natürlich machen wir uns Sorgen, wenn wir Menschen, die wir lange kennen, plötzlich nicht mehr antreffen. Die Gedanken, ob sie krank geworden oder einsam verstorben sind, schwingen immer mit. Darum ist die Freude groß, sie wohlbehalten wieder zu sehen.
Es ist ein seltsamer Cocktail verschiedenster Gefühle. Einerseits freut man sich, dass die Menschen den Weg zu uns finden und unser Angebot gerne und dankbar annehmen. Auf der anderen Seite aber macht es uns traurig und wir würden uns für alle wünschen, sie nicht mehr -oder nur noch zu Besuch auf einen Ratsch- auf unseren Touren anzutreffen. Weil das bedeuten würde, dass sie den Weg zurück ins „normale“ Leben gefunden haben. Leider ist das nur bei den Wenigsten der Fall.
Daher gehört zu unserer Arbeit auf der Straße, so viel mehr als nur die reine Versorgung mit lebensnotwendigen Hilfsgütern. Die Menschen kennenlernen, ihre Geschichten erzählt zu bekommen und ihnen wirklich zuzuhören. Sie auf ihrem Weg zu begleiten, auch wenn das für uns oft anstrengend und nervenaufreibend ist. Viele Höhen und Tiefen mit ihnen zu erleben und dennoch die Hoffnung nie aufzugeben. Ihnen Mut machen und Sicherheit geben ohne zu Verurteilen. Ganz offen gesprochen, müssen aber auch wir mit vielen Enttäuschungen klarkommen.
Meist braucht man dafür ein dickes Fell, Nerven wie Drahtseile und eine Engelsgeduld.
Auch wenn wir manchmal etwas strenger sind – Augenhöhe bedeutet für uns, die Menschen anzunehmen wie sie sind, aber ohne sie in Watte zu packen und sie für ihre Situation zu bemitleiden.
Vergangene Woche war Vroni wieder in den Gefängnissen unterwegs um unseren Schützlingen auch während der Haft Unterstützung und Verlässlichkeit zu bieten. Auch hilft Vroni z.B. beim Ausmisten in der Unterkunft um Überblick im Chaos zu behalten. Kümmert sich um monatelang liegengebliebene Post und telefoniert mit Gläubigern. Nicht selten haben wir schon Rechnungen übernommen um eine Pfändung gerade noch abwenden zu können.
Flo fährt auch diese Woche wieder zwei Umzüge zweier Klientinnen von der einen Unterkunft zur nächsten.
Wir versuchen mit unserem Tun einfach diese vielen kleinen riesengroßen Hürden ein wenig einfacher zu gestalten.