Menschlichkeit Fehlanzeige

Am Samstag erhielten wir eine öffentliche Beschwerde in Form eines Facebookposts in unserer Spendengruppe.

In dieser anonymen Nachricht wurde uns, unter anderem, mit einer Anzeige bei der Polizei gedroht.

Und prompt… Wir waren gerade mit der Verteilung an unserer ersten Station fertig. Als wir alles zusammen räumten, den Müll aufsammelten und uns auf den Weg zur nächsten Station machen wollten, hielt ein Streifenwagen der Polizei.

Wir gingen auf die beiden Herren zu und fragten ob es ein Problem gäbe.

Die zwei, wirklich sehr netten Polizisten unterhielten sich lange mit uns.

Sie lobten unsere Arbeit und die Effizienz unserer Sammelstellen.

„Wir kennen Euch ja alle schon lange, müssen aber natürlich ausrücken, wenn wir aufgrund einer Beschwerde gerufen werden. Auch wenn dies absolut grundlos geschieht, wie wir gerade feststellen. Die Versorgung, so wie ihr es mit den festen Stationen handhabt, finden wir gut und läd nicht zum Kampieren ein. Nach einer Stunde seid ihr wieder weg und alles ist sauber. Wir finden Eure Arbeit super und wir sehen, dass ihr alles im Griff habt.“ Sagte einer der beiden Polizisten.

Wir bedanken uns für dieses großartige Lob und die tolle Zusammenarbeit mit der Münchner Polizei und den Kontrollgängern des KVR.

Wir können es nachvollziehen, dass das „Klientel“ das wir versorgen, einigen Münchner Bürgern missfällt. Wir verstehen, dass wir mit unserer Arbeit polarisieren.

Aber wir finden es erschütternd, auf welche Art und Weise damit umgegangen wird.

Ein anonymer Post oder Hetzkommentare unter unseren Beiträgen kann und soll nicht der Weg sein Probleme zu lösen.

Bitte kommen Sie auf uns zu, sprechen Sie offen, ruhig und sachlich mit uns. Schauen Sie sich unsere Arbeit von der Nähe an und urteilen Sie nicht vom Fenster des 4. Stocks oder beobachtend von einer Parkbank aus. Lernen Sie uns und die Menschen kennen, die wir begleiten und Sie werden feststellen, dass es genau so Menschen mit Sorgen, Ängsten, Nöten und Bedürfnissen sind.

Bedürftigkeit hat viele Gesichter. Es geht nicht nur um Armut oder Hunger, meist geht es auch um Einsamkeit.

Natürlich kann es auch mal etwas lauter werden und natürlich kommt es auch mal zu einem Streit. Aber wir sind immer sofort zur Stelle um Wogen zu glätten, ruhige Worte zu finden und zu schlichten.

Wie allen bekannt ist, kümmern wir uns nicht nur um tatsächlich Obdachlose, Renter für die das Geld nicht mehr reicht um sich zu ernähren oder sonstige Bedürftige. Wir haben uns auch Schwerpunktmäßig den Süchtigen verschrieben. Und ja, einige sind straffällig geworden, waren im Gefängnis oder müssen Sozialstunden ableisten. Beschaffungskriminalität ist natürlich ein Thema. Das möchten wir gar nicht runter spielen.

Aber ist es nicht wichtig genau dort anzusetzen und zu unterstützen?

Leider gibt es zu wenig Resozialisierungsprogramme. Viele sitzen ihre Haftstrafe ab, werden entlassen und landen wieder auf der Straße und somit zurück in den selben Kreisen. Aber wo sollen sie denn auch hin, wenn ihnen niemand die Hand reicht? Es ist ein Teufelskreis der schwer zu durchbrechen ist und ohne Hilfe schier unmöglich.

Wir bieten Zuversicht und Perspektive, begleiten zu Ämtern, vermitteln bei staatlich zugewiesenen Sozialarbeitern, kümmern uns um Plätze in Entzugskliniken, sprechen mit Ärzten, bieten die Ableistung von Sozialstunden an und versuchen den durchs Raster gefallenen Schicksalen wieder Mut zu machen.

Gestern kam ein junger Mann auf uns zu. Ja, auch einer dieser kriminellen Junkies. Er war völlig durchgeschwitzt. „Seid ihr sowas wie die Tafel? Da habe ich nämlich keine Berechtigung hinzugehen. Aber ich habe solchen Hunger, habt ihr was zu Essen dabei?“

Wir haben ihm dann kurz erklärt, dass wir keine Nachweise verlangen ob jemand berechtigt ist und ihm nebenbei einen Teller Suppe in die Hand gedrückt.

Wer Hunger hat, soll etwas zu essen bekommen. Das ist für uns das beste Beispiel für schnelle und vor allem unbürokratische Hilfe.

Wir möchten nochmal ausdrücklich darauf hinweisen, dass zu keinem Zeitpunkt Gefahr für Leib und Leben der Anwohner besteht.

Wir gehen nach jeder Station eine Runde mit einem großen Müllsack und hinterlassen unsere Plätze so wie wir sie vorgefunden haben. Wir sammeln sogar den Müll auf, der vor unserer Ankunft bereits auf der Straße lag.

Auch verbitten wir uns Sätze wie: „ihr füttert ja nur die Ratten von der Straße und durch Euch werden es immer mehr“.

Denn „da“ waren diese Menschen schon immer. Nur jetzt wird sich darum gekümmert, dass sie wieder ein wenig Würde und Menschlichkeit erfahren.

Ein Lächeln bietet meist so viel mehr als ein simpler Teller Suppe.

Als wir mit unserer Arbeit begannen, hätten wir nie gedacht auf soviel Widerstand zu stoßen.

Der Nussbaumpark ist mit oder ohne uns einer DER Hotspots in München.

Nach eigenen Recherchen und Gesprächen mit der Polizei, wissen wir, dass die Problematik unter der Woche die gleiche ist , wie am Wochenende.

Es handelt sich um zwei Stunden, die wir am Sonntag mit den Bedürftigen verbringen.

Hierbei werden Termine für unter der Woche ausgemacht, an denen wir versuchen die Menschen wieder in unsere Gesellschaft zu integrieren.

Unsere Frage an unsere anonymen Kritiker lautet: was wären denn Ihre Vorschläge, wie man mit Menschen umgeht, die vielleicht vom konservativen Weg abgekommen sind und um eine zweite Chance bitten?

Hier noch ein paar Impressionen der gestrigen Tour und der Münchner Freiheit:

Dieser Beitrag wurde gestern Abend als anonymer Gruppenbeitrag auf unserer Facebook Plattform gepostet.

Sehr geehrte Posterstellerin,

sehr gerne antworte ich Ihnen auf Ihren Beitrag, den Sie offenbar bereits wieder gelöscht haben. Aufgrund Ihrer Blockierung, ist es mir nicht möglich gewesen Sie direkt zu kontaktieren. Ich möchte dennoch gerne dazu Stellung nehmen. Um auf Ihre Anonymität Rücksicht zu nehmen, haben wir den Namen verpixelt.

Ich hätte mir gewünscht, dass Sie uns persönlich kontaktieren oder auch an Ort und Stelle gerne das Gespräch mit uns suchen.

Wir sind immer offen und dankbar für Kritik und versuchen stets Lösungen zu finden.

Wie Sie sicher wissen, hinterlassen wir unsere Plätze sauber und ordentlich, sammeln Müll ein, versuchen zu schlichten und ziehen selbst die Polizei hinzu, sollte es doch mal zu „Ausschreitungen“ kommen.

Sehr gerne können wir uns zu einem persönlichen Gespräch auf unserer nächsten Tour treffen und darüber sprechen wie wir zusammenfinden und Lösungsansätze für die von Ihnen beschriebene Problematik erarbeiten.

Gerne möchten wir Ihnen mehr Einblick in unsere Tätigkeit bieten und laden Sie hiermit herzlich dazu ein, die Menschen, die wir betreuen kennenzulernen um etwaige Vorurteile auszuräumen.

Wir sind ein Verein der nicht nur Obdachlosen und Rentnern oder Bedürftigen hilft. Wir haben uns auch den Substituierten und Süchtigen angenommen. Denn auch das sind Menschen, um die sich gekümmert werden muss. Auch diese Menschen haben es verdient und sind dankbar dafür, dass sich ihnen jemand annimmt.

Ich persönlich finde es sehr schade, dass sie uns öffentlich in den sozialen Medien anprangern und direkt mit einer Anzeige drohen. Es gibt immer Mittel und Wege Angelegenheiten in Ruhe und sachlich zu klären.

Wir stehen einem Gespräch jederzeit offen gegenüber.

Mit herzlichen Grüßen

Anja Sauer
Vorstandsvorsitzende