Die Kluft wird größer

Musik und Feierlaune, verlockend duftende Buden mit Naschereien und Foodtrucks sowie Stände mit Kunst und Kultur hielten gestern im Rahmen des Corso Leopolds in Schwabing Einzug.

Aufgrund dessen war die Leopoldstraße für den Verkehr gesperrt, sodass unsere Teams Schwierigkeiten hatten überhaupt an ihre erste Station zu gelangen.

Zwischen den Passanten bauten wir am gewohnten Platz unseren Stand auf und verteilten wie immer unsere Hilfsgüter und warme Speisen an die oft vergessene Gesellschaft Münchens.

Deutlicher hätte man gestern den Kontrast kaum darstellen können.

Neben den Besuchern der bunten Veranstaltung sah man immer wieder, Menschen mit Tüten die hoffnungslos in einem Mülleimer oder am Straßenrand nach Pfandflaschen suchten.

Bemerkenswert viele Rentner suchen mittlerweile unsere Plätze auf und sind dankbar von uns Lebensmittel für die bevorstehende Woche zu erhalten.

Existenzangst und Sorgen über die Zukunft sind ein stetiger Begleiter. Viele erzählen, dass sie aufgrund der unaufhörlich steigenden Energie- und Lebensmittelpreise nicht mehr wissen wie sie im Monat noch über die Runden kommen sollen. Bedrohend, wie ein Damoklesschwert häng das Thema „werde auch ich bald obdachlos, wenn ich meinen Lebensunterhalt nicht mehr bezahlen kann?“ gerade über den Köpfen der älteren Generation.

Leider hatten wir gestern auch mit dem Wetter nicht allzu viel Glück. Immer wieder kamen Schauer vom Himmel, was der Stimmung aber keinen Abbruch tat.

Aufgrund des Regens, mussten wir aber unseren Stand zur Kleiderverteilung an der Münchner Freiheit nach ca. einer Stunde vorzeitig wieder abbauen. Regennasse Kleidung, in diesen Mengen, können wir leider weder trocknen noch lagern. Vielen Dank an unser gestriges Team Dieter, Mario, Teresa, Ulrike, Marta und Petra, dass Ihr dennoch so zuversichtlich wart und es zumindest versucht habt.

Vroni berichtet nach vielen Gesprächen mit unseren Schützlingen, dass sich die Substituierten und Drogensüchtigen in München, von der Stadt sehr allein gelassen fühlen. Dass es kaum Anlaufstellen gibt, sie sich nicht ernstgenommen fühlen und man die Augen vor der Thematik verschließe. Umso dankbar sind sie, dass es Menschen oder Institutionen wie uns gibt, die nicht wegsehen und sich ihnen einfühlsam, nicht verurteilend und voller Verständnis annehmen. Großes Thema war auch, dass es keine Fixerstuben oder Druckräume, wie in anderen Großstädten gibt. Weiter berichtet Vroni, dass in den vergangenen Wochen 5 junge Menschen an den Folgen einer Überdosis starben. Zwei davon wurden aufgefunden wie zurückgelassener Müll auf dem Boden öffentlicher Toiletten.

Eine junge Frau konnten wir letzte Woche erfolgreich zu einer Entgiftung ermutigen und auch für einen weiteren jungen Mann suchen wir gerade einen Platz in Haar. Andrea hat sich der Sache angenommen und wird den beiden bei ihrer Therapie begleitend zur Seite stehen.

Des Weiteren erzählten Andrea und Vroni von einem einschneidenden und schockierenden Erlebnis. Am Nussbaumpark trafen sie auf ein junges Mädel, welches untenrum nackt und nur mit einem Pullover bekleidet auf unser Team zukam. Sie stand offensichtlich stark unter Einfluss mehrerer bewusstseinsverändernder Substanzen. Der Körper übersäht mit blutigen Spuren. Die junge Frau bat um Hilfe und erzählte, dass sie sich an kaum mehr etwas erinnern könne, sie aber denkt, dass sie in der Nacht missbraucht worden sei. Tina, Dani und Lin eilten herbei, suchten Unterwäsche und Kleidung zusammen und halfen ihr beim Anziehen. Vroni und Andrea alarmierten währenddessen den Notarzt und telefonierten Unterkünfte und Kliniken ab. Maria setzte sich mit ihr in unseren Bus ins Warme und versuchte beruhigend mit ihr zu reden bis die Rettungskräfte eintrafen.

Vroni und Maria kontaktierten, auf ihr Bitten, dann noch den Großvater der jungen Frau und versprachen ihr, sie heute in der Klinik zu besuchen, weil sie solche Angst hatte wieder alleine gelassen zu werden.

Ziemlich zum Schluss, als wir bereits zusammenpackten, kam dann noch ein uns bisher unbekannter Mann, nass, frierend und nur leicht bekleidet auf Jorge zu und bat um eine Jacke. Er sei ganz frisch auf der Straße gelandet und müsse sich erst zurecht finden.
Da wir am Ende der Tour unser Jackenkontigent aus den Autos bereits erschöpft hatten, den Mann aber auch nicht frierend zurücklassen wollten, zog Jorge kurzum seine eigene Jacke aus und überließ sie ihm.

Bodo und Norbert halfen, wie jede Woche unglaublich fleißig bei der Ausgabe und dem Auf- und Abbau mit und wir sind über diese tatkräftige Unterstützung unglaublich dankbar.

Auch Dani, Markus, Lin und Tina standen gestern als Kummerkasten, Seelentröster und Stilberater neben der Ausgabe der warmen Mahlzeiten, immer mit einem Lächeln auf den Lippen zur Verfügung.

Für uns gehört es einfach dazu, für die Menschen da zu sein und zuzuhören. Sich ihnen und ihren Ängsten anzunehmen und auch unter der Woche Kontakt zu halten. Für uns ist die Nähe zu den Menschen die wir betreuen unglaublich wichtig und wir möchten nicht nur ein anonymer Stand sein, an dem man einmal in der Woche eine Tüte Lebensmittel überreicht bekommt.

Wie eine kleine, riesengroße Familie sind wir über die Dauer zusammengewachsen.

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